Taschenmesser in der Hosentasche – was soll schon passieren?
Das mag sich nun mancher Leser fragen. Doch Obacht: Nicht nur die Regeln zum Führen von Messern, sondern auch die Kontrollbefugnisse und Meldepflichten wurden erweitert. So ist nunmehr Behörde, Polizei bzw. Bundespolizei nach §42c WaffG ermächtigt, auf öffentlichen Veranstaltungen, Bahnhöfen und Bahnanlagen und in Waffenverbotszonen ohne Anlass Personen auf mitgeführte Waffen oder Messer zu durchsuchen. Darüber hinaus wurden die besagten Behörden bzw. ihre übergeordneten Dienststellen wie Landeskriminalämter u.ä. im neu eingeführten §6a WaffG zum sogenannten Nachbericht an die Waffenbehörden verpflichtet. Das bedeutet, dass die eigene Waffenbehörde schnell Kenntnis von einer Ordnungswidrigkeit gegen das Waffengesetz erlangen kann. Kurzum: Die verschärften Regeln zum Führverbot von Messern müssen vom Waffenbesitzer peinlich genau beachtet werden, will er nicht seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit riskieren. Keine Bratwurst mehr schneiden auf dem Markt? Die §§42-42b WaffG enthalten nunmehr eine ganze Reihe von Ausnahmen vom Führverbot bzw. für die Nutzung von Messern in Waffenverbotszonen für sogenannte „berechtigte Interessen“., z.B. für Gewerbetreibende, die Gastronomie oder ganz generisch, wenn ein „allgemein anerkannter Zweck“ vorliegt. Gerade darüber, was unter „allgemein anerkannter Zweck“ zu verstehen ist, gehen die Meinungen weit auseinander, relevant ist aber unter dem Strich nur die Meinung des Gerichts. Es kann also nur geraten werden, sich in dieser Frage waffenrechtlich möglichst defensiv zu verhalten. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit ist eine Zukunftsprognose hinsichtlich des zukünftig zu erwartenden Umgangs mit Waffen und Munition, die schon durch einmaliges Fehlverhalten dauerhaft in Frage gestellt werden kann. Ein Restrisiko müsse im Waffenrecht nicht hingenommen werden, so ein häufig von den Verwaltungsgerichten zitiertes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, wenn es um die Bewertung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit geht. Kurz: Man bekommt also schlimmstenfalls erst nach dem Widerruf der WBK richterlich bescheinigt, ob der Zweck „allgemein anerkannt“ und damit das Führen des Messers zulässig war oder eben nicht.
Immerhin ein wenig Rechtssicherheit für den Waffentransport
Bisher war die Rechtslage zum Transport im öffentlichen Personenfernverkehr unklar. Das Waffengesetz erlaubte zwar einerseits das erlaubnisfreie Führen einer nicht zugriffsbereiten und nicht schussbereiten Schusswaffe gem. §12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG, forderte aber andererseits in §12 Abs. 3 Nr. 1 die Zustimmung des Hausrechtsinhabers, hier der Verkehrsbetriebe, wenn man eine Waffe auf einem fremden Grundstück führen möchte. Die Frage, ob der Transport einer Waffe zulässig war oder nicht, hing nun nicht mehr vom Waffengesetz, sondern von der Auslegung der Hausordnung der Verkehrsbetriebe ab. Speziell von der Frage, ob das in den Hausordnungen festgelegte Verbot des Führens von Waffen überhaupt den rechtskonformen Transport von Schusswaffen beschränken wollte oder durfte.
Durch das Sicherheitspaket wird nun im Waffengesetz ausdrücklich geregelt, dass Waffen und Messer auch im öffentlichen Personenfernverkehr nicht zugriffsbereit von einem Ort zu einem anderen Transportiert werden dürfen, womit die Auslegungsfragen von Hausordnungen obsolet werden. Aber Vorsicht: Das zugriffsbereite Führen von Schreckschusswaffen ist auch mit kleinem Waffenschein im Personenfernverkehr und seinen Einrichtungen wie Bahnhöfen und Haltestellen ausdrücklich nicht erlaubt! Hier ist die waffenrechtliche Zuverlässigkeit bedroht. Analog werden die Länderregierungen zur Einführung von Waffen- und Messerverbotszonen für den ÖPNV ermächtig, werden zugleich aber verpflichtet, in diesen Verordnungen gleichlautende Regelungen für den rechtskonformen Transport von Waffen und Messern zu regeln.
Das Waffenrecht gilt auch im Internet
Das war selbstverständlich auch vor der Waffenrechtsänderung 2024 schon der Fall. Aber während die verschärften Regelungen zum Führen von Messern und Waffen große Aufmerksamkeit erfuhren, blieben gravierende Änderungen zur Bewertung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit (§5 WaffG) und der persönlichen Eignung (§6 WaffG) weniger beachtet. Der Kreis der abgefragten Stellen wurde geändert und erweitert: Die Behörde muss nunmehr statt der örtlichen Polizeidienststelle die Landeskriminalämter zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit befragen, was aber in manchen Bundesländern ohnehin schon Verwaltungspraxis ist. Zusätzlich müssen künftig auch Zollkriminalamt, Bundespolizei und in besonderen Fällen auch das Bundeskriminalamt befragt werden. Inhaltlich ändert sich dadurch zunächst nichts an der Überprüfung des Waffenbesitzers, lediglich die Bearbeitungszeiten könnten sich verlängern.
Jedoch wurde die absolute waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nach §5 Abs. 1 um einen Katalog von Straftaten erweitert, die aus den Abschnitten des Strafgesetzbuchs zu Friedensverrat, Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats oder der äußeren Sicherheit und Straftaten gegen die öffentliche Ordnung stammen. Hier ist bereits die Verurteilung zu 90 Tagessätzen ausreichend. Die gleichen Regelungen wurden auch in die Definition der Unzuverlässigkeit in das Sprengstoffgesetz
aufgenommen. Diese Regelungen richten sich vor allem gegen die Bildung bewaffneter Gruppen, welche die staatliche Ordnung in Frage stellen.
Ein weitaus gravierenderer Punkt ist allerdings die Erweiterung der behördlichen Befugnisse zur Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit und persönlichen Eignung in §4 Abs. 5 und Abs. 6. WaffG Die Behörde darf künftig neben der Kommunikation (Telefonate, Schriftverkehr) mit dem Waffenbesitzer auch öffentlich zugängliche Quellen zur Grundlage ihrer Bewertung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit machen: Geteilte Bilder, Memes, Videos, öffentliche Statements auf Social Media etc. Hierzu gehören auch Nachrichtengruppen in Messenger-Diensten wie z.B. Whatsapp oder die öffentliche Zustimmung („like“) zu Inhalten, welche die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in Frage stellen könnten.
Hier muss der Legalwaffenbesitzer künftig besondere Vorsicht walten lassen und sich von allem fernhalten, was geeignet sein könnte, über sein Auftreten auf Social Media die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach §5 WaffG zu begründen. Das heißt konkret alles, was die Annahme begründen könnte, dass er Waffen und Munition missbräuchlich, leichtfertig, unvorsichtig oder unsachgemäß verwenden wird oder er die Waffen nicht ordnungsgemäß verwahren bzw. an Unberechtigte überlassen wird. Ein besonderer Fallstrick in diesem Zusammenhang soll hier dargestellt werden: das Überlassen an Unberechtigte. Das Oberlandesgericht Koblenz bestätigte mit Beschluss vom 15.02.2022 (Az: 1 OLG 32 Ss 153/21) die strafrechtliche Verurteilung eines Jägers nach §52 WaffG, der entgegen §34 WaffG einer waffenrechtlich unberechtigten Begleiterin nach erfolgreicher Jagd eine Jagdwaffe für ein Foto für Social Media kurzfristig in die Hand gegeben hatte. Das Foto verbreitete sich und der Jäger wurde angezeigt und verurteilt. Nach der stehenden Rechtsprechung, die sich auf ein Grundsatzurteil des BayObLG,( 4 St 108/76) aus der „Frühzeit“ des Waffengesetzes in Deutschland bezieht, stellt auch das kurzfristige Übergeben an einen Unberechtigten im Beisein des waffenrechtlich Berechtigten ein strafbares Überlassen dar. Ausnahmen hiervon bestehen nur im Rahmen von §12 WaffG z.B. auf Schießstätten.
Veröffentlicht ein Waffenbesitzer in Social Media Fotos, auf welchen zu sehen ist, wie er seine Waffen außerhalb einer behördlich genehmigten Schießstätte Unberechtigten in die Hand gibt, so dokumentiert er seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit. Auf den Punkt gebracht: Die freie Meinungsäußerung auf Social Media stellt keine Freistellung von den strengen Regeln des Waffenrechts dar. So ordnungsgemäß und sicher, wie man mit den Waffen auch ohne mediale Öffentlichkeit umzugehen hat, so hat dies auch vor der Kamera zu erfolgen. Durch die Ermächtigung der Behörden, künftig öffentliche Quellen in die Prüfung einzubeziehen, droht hier nun noch schnelles waffenrechtliches Ungemach.
Schnelle Sicherstellung von Waffen, Regeln für Waffenverbote
Solches Ungemach kann künftig auch in Form der sofortigen Sicherstellung der Waffen und Munition erfolgen. Der Paragraf zu „weitere Maßnahmen“ (§46) wurde erweitert und der zuständigen Behörde das Recht eingeräumt, nunmehr auch bereits nur bei Zweifeln an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit oder persönlichen Eignung Waffen, Munition und Erlaubnisurkunden sofort vorläufig für die Dauer der Prüfung und bis zu 6 Monate im Zuge einer richterlich genehmigten Durchsuchung sicherzustellen.
Konkretisiert und verschärft wurden auch die Regeln für Waffenverbote nach §41 WaffG, d.h. um das behördlich angeordnete Verbot des Umgangs mit erlaubnisfreien Waffen wie Luftgewehren bis 7.5J, Armbrüsten, Vorderladern etc. Nicht nur die absolute Unzuverlässigkeit nach §5 Abs. 1 WaffG kann ein Waffenverbot nach sich ziehen, sondern es ist nun vorgeschrieben, dass ab einem Strafmaß von 90 Tagessätzen wegen Verurteilung aufgrund sonstiger Straftaten gegen das Waffengesetz, Sprengstoffgesetz, Bundesjagdgesetz und des Gesetzes zur Kontrolle von Kriegswaffen, welche für sich genommen noch nicht zur absoluten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit führen würden, als auch die Verurteilung wegen Gewaltdelikten zu einem Umgangsverbot mit erlaubnisfreien Waffen führen können.
Zusammenfassend bleibt also der Appell an den Leser:
Halten Sie sich stets strikt an die Vorgaben des Waffengesetzes, welche uneingeschränkt auch auf Social Media gelten und beachten Sie die neuen Messerführverbote.
Dr. Adrian Sievers-Engler
Landesreferent für Waffenrecht